Montag, 21. November 2011
Zeitraum Mai 2011
Nebel, Grau, Trüb, Zäh, Ereignislos.
Die permanente Pflegeaufgabe war jetzt plötzlich weg. Wie kann ein ganzer Monat erinnerungslos an einem vorbeiziehen? Keine Ahnung, mir ist es problemlos gelungen. Die in dem Posting

http://depressionselbsthilfe.blogger.de/stories/1939140/

angesprochen "Beerdigung" meiner Probleme, bzw. der Depression, ist für mich, das einzig herausstechende Ereignis des gesamten Monats.
Unterbrochen wurden die "Traumphasen", denn so fühlt sich da heute an, wie Traumzeit, nur durch Fragen der Familie, wie es denn jetzt weiterginge. Offensichtlich war ich zumindest zu einer Jobsuche fähig, gebracht hat es nichts.

Kaptain Kirk an Traumschiff 3193e42, "Volle Kraft voraus", wohin, oh Käpt'n, mein Käpt'n?
"Mit dem Kopf noch tiefer in den Sand"!
Energie!

Und das was dann bei mir an Energie ankam, hätte jedes Teelicht beschämen müssen, annähernd Null!

Wie ich heute weiß, wurde die bessern Phasen, als Stimmungsschwankungen bei den Menschen um mich herum wahrgenommen. Wirklich viel Gesprochen habe ich nicht. Fragen, wie bereits einmal beschrieben, hatten minutenlange Grübelphasen zur Folge, was eine vernünftige Kommunikation mit mir fast unmöglich machte.
Die längsten "Gespräche" hatte ich zu der Zeit mit den Gerichtsvollziehern, die mich aufsuchten.
Und wer solche Gespräche kennt, weiß da sie nicht lange dauern.
Nebenbei bemerkt, sind Gerichtsvollzieher mehr Sozialarbeiter und Seelsorger als man glaubt, und alle sind ausgesprochen nette Menschen!

Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen (oder verdrängt), bei der Feier hat die feine Nase meiner älteren Tochter, meine mangelnde Hygiene erspürt.
Sie hat es nicht angesprochen, und ich habe es erst später erfahren. Heute empfinde ich es als peinlich und schmutzig. Als ich es damals, ein paar Tage danach hörte, löste es eigentlich nur Erstaunen aus, hatte ich mich für diesen Tag doch extra herausgeputzt. Allerdings nicht vom "normalen" Standpunkt, sondern von meinem unterirdischen Selbstvernachlässigungsverständnis. Wie heisst es in dem Karnevalsliedchen "Scheissejal, Scheissejal, ob de Huhn bist odder Hahn!"
Mir war auch alles Scheissejal.
Meine Wirkung auf andere Menschen, meine Selbstachtung, mein Selbstwert, waren auf dem Weg in den tiefsten Keller, den man sich denken kann.
Weder die eigene Instanz noch die Reaktion anderer Menschen, egal wie nahe Sie mir standen, noch die Rückkopplung davon "Mach es doch für mich", haben Wirkung gezeigt.
Selbstaufgabe, der erfolglose Versuch einfach zu verschwinden. Bezaubernde Jeannie für Arme.
Ganz schön Arm (man beachte den Kommentar von Sturmfrau!), für mich damals ganz normal. Was nur noch einmal die indifferente Bedeutung des Wörtchens "normal" verdeutlicht.

Mein damaliges Gefühl, wird durch diese Bild vermittelt, bitte nur in Graustufen vorstellen. Meine gesamte Erinnerung an diese Monate ist schwarz/weiß!

http://www.flickr.com/photos/gutmannfotografie/5975186238/in/set-72157627154807801

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Freitag, 18. November 2011
Zeitraum April 2011
In diesem Monat ist der Verwandte verstorben, den ich die ganzen Monate über mit gepflegt hatte.
Als schwer Demenzkranker, waren die letzten Wochen besonders wichtig. Kommunikation war kaum noch möglich, bzw. nur sehr eingeschränkt.
Die letzten Tage wurde Wasser und Nahrung völlig verweigert, was normal ist. Der Palliativmediziner, der das ganze begleitet hat, musste immer nur beratend tätig werden.

Ich habe mir dann vorgenommen, bei der Beerdigung auch meine Probleme mit zu beerdigen. Hat einige Zeit geholfen, die Vorstellung, das sie jetzt in der Erde ruhen. Natürlich war das nicht endgültig, es war gewissermaßen ein erster Versuch, auch selbst Einfluss zu nehmen, und nicht mehr nur Körper für eine Krankheit zu sein. Da ich zu dieser Zeit überhaupt nichts für mich getan habe, war dieser "Erlösungseffekt" (ich meine das ganz unreligiös) nur von kurzer Dauer. Ich habe aber tatsächlich eine Besserung verspürt, da ich mir das beerdigen ja nicht nur gedanklich vorgestellt habe, sondern auch selbst dabei war. Mein Unterbewusstsein wurde für kurze Zeit geprägt. Der gestörte Hormonhaushalt eine schwer depressiven Menschen, lässt sich aber nicht lange überlisten. So blieb es ein verzweifelter Versuch mit der Situation klar zu kommen.

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Donnerstag, 17. November 2011
Ein schwere Schlag oder Augenöffnend?
Bei einer Familienfeier im Oktober, hatte ich Gelegenheit, meine eigene Einstellung zu prüfen, ich wusste allerdings nicht, was auf mich zukommt.

Die Feier war etwas größer geplant, und ich durfte mit dabei sein. So konnte ich ein verlängertes Wochenende bei der Familie sein, was mich natürlich riesig gefreut hat. Ich habe verschieden Dinge gebastelt, und gedichtet, und ein kleines Geschenk gekauft (alles unter dem Gesichtspunkt geringe Geldmittel), was aber viel Spaß gemacht hat.
Ich wurde am Vorabend der Feier von Tochter und Schwiegersohn abgeholt, mit dem ich mich sehr gut verstehe, und der für mich ein absolut vollwertiges Familienmitglied ist.
Alle zu hause wussten, das ich mitkomme, das war vorher abgeklärt.
Zuhause angekommen (für mich ist es immer noch mein zu Hause, auch wenn ich schon einige Wochen nicht mehr da wohnte), wurde ich von einem anderen Familienmitglied mit den Worten begrüßt, "Na, wo sind denn die Beiden (Tochter + Schwiegersohn waren gemeint). Ich wollte sie doch begrüßen!".
So zogen sich die beiden Tage hin, begleitet von mehreren unbewussten Äußerungen von verschiedenen Verwandten, alle das Verhältnis und das Zuhause, die Beziehung zur Familie betreffend.
Fazit war, ich war für Alle nicht mehr präsent und wurde als nicht mehr zum engeren Kreis der Familie gehörend wahrgenommen. Hätte ich jemanden darauf angesprochen, hätte jeder gesagt, "Nein, so war das nicht gemeint, natürlich gehörst du zur Familie!".

Den bewussten Willen dazu zweifelte ich auch nicht an. Ich hatte in ca. 36 Stunden genug zufällige Belege von allen Anwesenden (außer meiner Frau natürlich) gesammelt, um zu wissen was los ist.

Ich war davon ausgegangen nach Hause zu kommen, wenn auch nur auf Zeit, ich wollte so gerne ein Teil der Familie sein, ich bin ein Familienmensch. Ich dachte, es könnte alles so sein wie früher, mir ging es jetzt besser, und ich hätte es gerne so gehabt, das es wie früher ist. Das war ein unbewusster Wunsch, der aber sehr in mir gearbeitet hatte.

Ich habe die Nacht darüber geschlafen, und bin am nächsten Morgen zu meiner Frau gegangen, um Ihr von meiner Erfahrung zu berichten. Vor Allem, um Ihr zu erklären, warum es mir nicht ganz so gut ginge.
Ich hatte den Effekt verstanden, die Mechanismen waren mir klar, jetzt musste ich b e g r e i f e n, das ich ja nicht nur seit einem Jahr nicht mehr Teil der Familie war (weil ich mich krankheitsbedingt abgekapselt hatte, verschlossen und völlig unkommunikativ war), sondern durch die körperliche Abwesenheit seit ca. 4 Wochen, zusätzlich entfernt war. Alle anderen hatten schon längst unbewusste verstanden, was ich gerade erst in diesem Moment überhaupt realisiert hatte, "Ich hatte mich ausgegrenzt, zurückgezogen und die Familie sehr schwer belastet, was ich jetzt erlebte, war nur die Schutzreaktion auf all das. Ich stand nicht mehr im Mittelpunkt!" Eigentlich ganz normal.

Nur noch einmal zur Klärung, natürlich gehöre ich zu der Familie, und von meinem Gefühl her, war ich "immer" Teil, und bin es heute noch. Nur hatte ich seit Ende 2010 wie ein "Fremder" und als depressiver Mensch in der Familie gelebt, und es war letztendlich deswegen zu einer Trennung gekommen. Ich habe die Trennung nicht nur akzeptiert, sonder aktiv mit unterstützt, und es gab deswegen auch keinen Streit oder Vorwürfe von irgend einer Seite.
Allerdings hatte ich wohl gedacht, die Gefühle der nächsten Menschen um mich herum würden gewissermaßen eingefroren, sie würden sich "frisch" halten, und ich könnte direkt an alles anknüpfen.

Dieses Wochenende hat mir die Augen geöffnet, das dies nicht so ist, was ich alles zerstört habe, und wie stark sich eine Beziehung verändern kann, wenn man sie nicht aktiv lebt.

Und das ist auch gut so, dass es mir so früh passiert ist. Ich hätte dies wohl nicht realisiert, diese Feier hat mir Aufschluss und Gelegenheit gegeben, das zu verstehen und zu akzeptieren.

In dem klärenden Gespräch war es wichtig, meiner Frau zu erklären, das Sie an all dem keinerlei Einfluss oder gar Schuld (wir Deutschen immer mit der Schuld, Wahnsinn) hat. Wir haben alles in Ruhe besprochen, und Sie wusste danach besser wo ich stehe, und das Sie tatsächlich völlig frei ist. Dieser Anlass hatte klar gezeigt, Sie war frei von jeglicher Last durch mich. Ein wichtiger Moment, und sicher nicht oft in einer Beziehung.
Ich hätte mir natürlich gewünscht, dies alles ohne den Stress meine Krankheit und das viele negative Drumherum zu haben. Das war uns leider nicht gegönnt, dennoch ist es eine sehr starke Erfahrung, die prägt. Die Liebe und Zuneigung zu meinen Nächsten ist dadurch noch klarer und intensiver geworden.

Die Depression wurde dadurch wieder eine Schritt zurückgedrängt, da die Umsetzung und das Begreifen dieser Vorgänge mich tief in meine und die Seelen meiner Lieben hat blicken lassen.

Der Weg geht weiter, nach vorne!

http://www.flickr.com/photos/gutmannfotografie/6029293033/in/photostream

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