Samstag, 3. Dezember 2011
Wenn sturmfrau über das Blog weht! ;-))
Den Beitrag Ursachenforschung die 2te aufgreifend, möchte ich etwas zu dem Einwand von sturmfrau (https://sturmfrau.blogger.de/) sagen.

Sie hat völlig Recht mit der Einschätzung, das viele Analysen kalt und unberührt wirken.

Unberührt ist die absolut richtige Formulierung. Ich weiß nicht woher es kommt, was bei unseren (meine Schwester ist 7 Jahre jünger) Eltern passiert ist. Berührungen und Zärtlichkeiten gab es so gut wie nie. Ich kann mich (gerade auch jetzt habe ich noch einmal intensiv in mir geforscht) nicht daran erinnern, das uns Mutter oder Vater in den Arm genommen haben.

Der Umgang generell war sehr prüde und "formal" und erz-katholisch geprägt. Lernbereitschaft bzgl. Kindererziehung und Pädagogik allgemein ist bei meinen Eltern nicht vorhanden. Auch heute behandeln sie ihre Enkelkinder wie kleine Erwachsene. Sie sind schnell überfordert, und es besteht auch heute noch die Tendenz, die Überforderung durch Gewalt zu kompensieren, zumindest bei meiner Mutter.
Was dazu führt, das Enkelkinder nie mit ihr alleine sind.

Geschlagen wurden wir Kinder recht viel und teilweise sehr heftig. Interessanterweise vor allem durch die Mutter, die auch die dominierende Person der Familie ist. Der Vater hat bei uns beiden mehr Respekt, ist gleichzeitig aber auch die weichere Persönlichkeit.

Als ich in die Pubertät kam, und sich meine Intelligenz immer mehr entwickelte, wurden die Probleme immer größer, und die Frustration bei meine Eltern auch. Sie wussten sich immer weniger zu helfen, obwohl ich nicht im Elternhaus rebellierte.

Mit 18 Jahren bin ich dann ausgezogen, in einer Nacht + Nebel-Aktion. Typischerweise, hat man versucht, durch noch mehr Härte und Strenge bei meiner Schwester, die "Schande" (O-Ton) zu kompensieren. Mit dem Ergebnis, das sie mit 16 Jahren zu mir kam, und ich ihr geholfen habe, dass sie nicht mehr zu den Eltern zurück musste.

Ich habe mit ca. 35 eine Aussprache zu diesen ganzen Themen gesucht. Meine Mutter hat darauf mit völliger Verständnislosigkeit reagiert, mein Vater hat sich zumindest alles angehört. Er argumentierte dann mit der gottgegebenen höheren Autorität der Eltern, die gewissermaßen immer alles Richtig machen, oder zumindest erwarten können, das die Kinder sich, so wie in den Katechismus auch in die elterliche Gewalt fügen (Hintergrund, 10 Gebote, "Du sollst Vater und Mutter ehren!"). Ich habe das damals abgelehnt also die Erklärung als unzureichend angesehen, und dennoch war das Gespräch für mich sehr befreiend und gut. Ich habe mich danach völlig frei von elterlichen Zwängen gefühlt und war glücklich das Gespräch geführt zu haben.

Wenn ich im Haus der Eltern bin, wechselt die Dominanz zu mir, bzw. ich kann diese jederzeit an mich ziehen. Ich kann mich jederzeit gegenüber beiden durchsetzen, und das tue ich auch immer wenn es nötig ist. Ich nehme heute lediglich Rücksicht auf ihr Alter, und suche daher nicht bei jeder Kleinigkeit einen Streit bzw. eine Zurechtweisung. Wenn es allerdings an die Familie, also meine Schwester oder deren Kinder oder meine eigene Familie geht, lasse ich Ungerechtigkeiten nicht zu.

Die Verbindung zu meiner Schwester ist sehr herzlich und eng. Natürlich haben wir uns vor der Pubertät gezankt, aber mit zunehmendem Alter, wurde unsere Verbindung immer herzlicher und verständnisvoller.

Auch der Kontakt zu anderen Verwandten war normaler, besonders eine Tante war besonders herzlich, und hat mich oft geherzt und in den Arm genommen.

Auch der Umgang in meiner Familie ist sehr liebevoll und herzlich, ich hatte nie Probleme damit, mit den Kindern oder meiner Frau zu Schmusen/Kuscheln/Kabbeln.

Der Umgang in der Familie meiner Frau ist wohl als durchschnittlich zu bezeichnen. Irgendwelche Problem in der Art sind mir von Ihr nicht bekannt. Ich habe gewissermaßen bei Ihr Nachhilfe bekommen, wir haben uns mit 16/17 Jahren kennengelernt.

In der Zeit des sich aufbauenden Drucks, mit beginnendem Burnout haben diese alten Gefühle bzw. die Gefühllosigkeit wohl wieder die Oberhand gewonnen. Obwohl Rückgang von Sexualität auch ein Zeichen der MDD ist, bzw. sein kann und auch sicherlich ein Anzeichen war, hat meine Frau auch über den Rückgang von Zärtlichkeit geklagt, das ist sicherlich nicht nur auf die MDD zurückzuführen. Ich denke, diese Dinge sind Hand in Hand gegangen. Ich habe eine Grundanlage zu Kontaktlosigkeit und Streicheleinheiten, die MDD gab den den Rest dazu. Endergebnis, ein scheinbar (!) mit sich selbst zufriedener sich in Wahrheit selbst isolierender Mensch.

Wahrheit ist aber auch, das ich meine Familie und die damit verbundenen direkten menschlich sozialen Kontakte heute schmerzlich vermisse. Ich bin kein abgehärteter Supermann, der niemanden braucht. Das Gefühl hatte ich teilweise in den Hochphasen der Depression, dass ich meinte, mich braucht niemand und ich bräuchte ebenfalls niemanden.

Zum Abschluss möchte ich noch erwähnen, dass wir unsere eigene Kinder nie geschlagen haben! Auch andere Formen von Gewalt haben wir nicht ausgeübt.

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Zuallererst möchte ich dir für dein Offenheit danken. Du sprichst einiges an, was leider sehr häufig vorkommt, aber nicht jeder äußert das so offen in einem Blog. Ich habe zum Glück ein moderates Elternhaus gehabt (eher so wie bei deiner Frau), aber meine Frau hat ähnliche Dinge erlebt wie du und kämpft immer noch damit, das zu verarbeiten.

Ich möchte aber zunächst betonen, dass es durchaus auch katholisch geprägte Familien gibt, in denen es ein gesundes Verhältnis zu Berührungen gibt (mein Elternhaus und meine eigene vielleicht? :-). Denn das hat mit (Erz-)Katholizismus nichts zu tun, sondern wie man ganz grundsätzlich zum Thema menschliche Nähe steht. Wie du schon sagst, dein Tante hat's ja auch gekonnt, und sie ist (vermute ich) ja auch katholisch erzogen worden.

Verständnislose Reaktionen kennen wir auch von meiner Schwiegermutter. Sie versteht sich auch super darauf, meiner Frau und mir noch ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn wir sie auf solch heikle Themen ansprechen. Sie zieht sich dann meistens zurück, sagt gar nichts dazu oder schiebt's auf meinen Schwiegervater (sie leben getrennt; nicht geschieden, das wäre eine Schande :-), und läßt sich danach bei meinem Schwager aus. Persönliche Diskussion: unmöglich, geht nicht. Sie hat auch schon Wochen nach dem Gespräch bitterböse Briefe geschrieben, wie wir ihr das alles antun konnten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie in ihrer komplett eigenen Schwarz-Weiss-Welt lebt. Alles was nicht in diese Welt passt, kann gar nicht wahr sein und wird konsequent herausgefiltert. Sehr schwierig und sehr schmerzhaft für meine Frau. So wie für dich, vermute ich.

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Wichtiger Hinweis zur Religionsfrage durch tomkin
Lieber tomkin!

Ich kann mich erinnern, in einem früheren Beitrag auch von bigott im Zusammenhang mit meinen Eltern gesprochen zu haben.

Ich stimme dir völlig zu, die römisch-katholische Kirche, der ich auch angehöre, hat grundsätzlich nichts damit zu tun.

Die Unfähigkeit zu menschlicher Nähe ist auch nicht mit oder durch den katholischen Glauben entstanden. Dieser bietet meinen Eltern nur sehr einfache, und gewissermaßen Milliardenfach bewährte Erklärungsmuster an, die gerne übernommen werden.

Wir werden zb. alle in der Familie "unbemerkt" und hinterrücks mit Weihwasser besprüht (mein Vater war Küster), um ev. teuflische Ansätze aufzuspüren. Auch dies ist kein durchschnittliches katholisches Verhalten, und hat mit der reinen Lehre auch nicht mehr so viel gemeinsam. Allerdings sind in der RK-Kirche auch viele Strömungen unterwegs, Marienverehrung, Schönstattgemeinde, Pater Pius etc. um nur einige zu nennen.

Meine Eltern hatten versucht, mir die Liebe (da müsste man nat. verstehen, was wahre Liebe wirklich bedeutet) zu meiner evangelischen Frau auszureden, indem der Pfarrer mich zu einem Gespräch bat, und mir in's Gewissen redete, diese "unheilige" Verbindung doch aufzugeben. Das hat natürlich überhaupt nicht gefruchtet.

In der Gemeinde und in der Nachbarschaft sind meine Eltern hoch angesehen Leute, man spendet im Rahmen der Möglichkeiten, man besucht Gottesdienste, Beerdigungen, Kirchenfeste und Senioren-Nachmittage. Eine (dünne) Fassade, aber aus hochfester Keramik, um mal einen technischen Ausdruck in die Diskussion zu werfen! ;-))

Reflexion der eigene Handlung, Selbstkritik und daraus abgeleitete Handlungsänderung sind absolut unbekannte und nicht genutzte Praktiken, meiner Eltern.

Ich möchte so nicht leben, und wir haben unsere Kinder zum kritischen Nachfragen erzogen, um Ihnen die Möglichkeit zum offenen Austausch mit sich und der Gesellschaft zu geben.

Deine Schwiegermutter und meine Mutter müssen sich irgendwie kennen, denn genau so, läuft es bei uns auch ab, bzw. lief immer ab.
Spaß beiseite, seit dem Gespräch mit meinen Eltern (vor rund 15 Jahren) und der Erkenntnis, das man Menschen nicht einfach ändern kann, habe ich mit diesem Punkt absolut kein Problem mehr.

Ich weiß, das sie sich an mindestens einem Punkt (in Wahrheit sind es mehrere verschieden Punkte) in ihrem Leben entschieden haben, so zu Leben und es auch nicht aufgeben wollen.

Das ist ihr gutes Recht. Allerdings an der Schnittstelle Mensch/Mensch macht es Probleme, daher können sie nicht an der Erziehung der Enkelkinder mitwirken (Besuche, Treffen klar, kein Problem), während meine Schwiegereltern mehrfach unsere Kinder in einen Urlaub mitgenommen haben, und diese ihre Erfahrungen damit machten.
Die Bindung zu den Großeltern verstärkte sich, die Toleranzgrenze bzgl. Verhätschelung und Gängelung sank.
Meine Schwiegermutter wollte z.B. die damals 14-jährige jüngste Tochter bei einer Zebrastreifen-Überquerung an die Hand nehmen (ROFL).

An vielen Stellen ist meine Familie also gar nicht besonders, sondern ganz im Gegenteil absolut gemein, im Sinne von durchschnittlich. Woher die erwähnte Unfähigkeit zu menschlicher Wärme kommt, kann ich nicht sagen, da ich bisher keine Punkt in der Historie der beiden gefunden habe, der dies erklärt. Fragen kann man nicht, bzw. habe ich bereits erfolglos versucht. Ergebnis war Unverständnis und Frustration.

Ich kann daher auch gut mit der Situation leben und sie Akzeptieren. Sie wollen es so, ich habe versucht zu helfen und zu klären, geändert hat sich nichts, da eine Änderung nicht gewünscht ist.
Wenn ich jetzt daran verzweifeln würde, ist gar niemandem geholfen, da meine Eltern als Grund der Verzweiflung ja noch nicht einmal verstehen würden, warum ich verzweifele, geschweige denn sich ändern würden.

Lebhaftes Beispiel, Vater hat Altersdiabetes. Mutter war mit bei den Seminaren, die extra für ältere Menschen zugeschnitten sind, um den Umgang mit dieser Krankheit zu lernen. Warum war Mutter mit bei dem Seminar? O-Ton, "Der hält sich ja sonst nicht an dir Vorgaben!"

Was hat das im täglichen Umgang mit Speisen und Getränken bewirkt? NICHTS!

Mein Vater nimmt zwar seine Tabletten und spritzt Insulin, aber hat seine Essgewohnheiten überhaupt nicht angepasst.
Meine Mutter schimpft zwar ständig (und wenn ich ständig schreibe, meine ich auch ständig) wegen zu hohem Blutzucker etc., aber auch Sie hat weder verstanden was eine Diabetis mellitus wirklich ist, noch käme ihr in den Sinn, ihr Koch- und Einkaufsverhalten anzupassen. Diätetische Lebensmittel einkaufen? Unnötig und viel zu teuer!

Mein Vater hat auch schon mal die Tabletten für Wochen weggelassen, da Gott es ja in der Hand hat, ihm auch die Krankheit zu nehmen! Als er dann ein massive Überzuckerung bekam, und dann auch noch 3 Zehen schwarz wurden, hat er sich doch dazu entschlossen, die Tabletten zu nehmen.

Du solltest die beiden mal hören, wenn irgendwo auf der Welt, irgend ein Unglück passiert. Oder ein bekannter Mensch ein gesundheits/drogen/mental Problem hat. Ich glaube, Du kannst dir das lebhaft Vorstellen. Es ist so leicht mit dem Finger auf andere zu zeigen, vor allem, wenn man sich selbst schon mit dem einen Fuß in der Himmelspforte wähnt.
Ich habe das so oft Vorgelebt bekommen, das ich gar nicht anders kann, als mich ständig selbst zu prüfen, um sicher zu sein das ich nicht so bin!

Uups, was habe ich denn da geschrieben. Gehirnstrom, aber ganz schön aussagekräftig. Es stimmt, so werden will ich nie, und bin ich auch nicht. Ein bisschen verkrampft ist das aber schon? Gell!

Wieder was gelernt!

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[...] indem der Pfarrer mich zu einem Gespräch bat, und mir in's Gewissen redete, diese "unheilige" Verbindung doch aufzugeben [...] Ja, das ist in den berühmten erzkatholischen Gefilden immer noch so. Nur inzwischen ist der Aufruf des Papstes zur gelebten Ökumene auch dort angekommen, so dass das inzwischen in der Praxis überhaupt kein Thema mehr ist.

Ich habe das so oft Vorgelebt bekommen, das ich gar nicht anders kann, als mich ständig selbst zu prüfen, um sicher zu sein das ich nicht so bin!
Mei, das ist doch normal. Jeder will (erst mal) überhaupt nicht so sein wie seine Eltern. Die Kunst ist, das auch durchzuhalten :-). Aber Spaß beiseite, das mit der Unnahbarkeit und mangelnden (Selbst-)Kritikfähigkeit ist der Punkt. Wir haben es inzwischen aufgegeben, meine Schwiegermutter von irgendetwas überzeugen zu wollen. Gegen diese Scheuklappen hat Vernunft keine Chance. Wir versuchen es zur Zeit eher, das zu ignorieren. Funktioniert wahrscheinlich auch nicht, aber sonst macht einen das auf Dauer ja vollkommen kirre.

[...] (dünne) Fassade, aber aus hochfester Keramik [...] Eine sehr schöne Metapher, die ich als Auch-Techniker gerne übernehme :-).

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Vor dem Gespräch mit dem Pfarrer, der voll auf die Linie meiner Eltern eingeschwenkt war, hatte ich noch Respekt vor dem Mann.
Der wollte auch von Liebe und so nichts wissen, immerhin habe wir bewiesen, das wir fast 35 Jahre zusammen sein konnten, und zwei herrliche, wunderschöne, intelligente Kinder bekommen und erziehen konnten.

Nein, das Wohl und Wehe der gesamten Gemeinde, oder doch zumindest der Eltern stand auf dem Spiel, und man versuchte mir tüchtig ein zu heizen. Erfolg, das genaue Gegenteil, die Argumentation war nur schlüssig, wenn man sein Gehirn ab, und die katholischen Gene anschaltete. Selbst wenn ich diese Frau nicht mehr geliebt hätte als mich selbst, wäre dieses Gespräch nicht erfolgreich für Rom ausgegangen.

Beide Kinder wurden katholisch erzogen, weil wir das gut so fanden.

Fassade, ja genau. Legen die alten Leutchen nicht ganz besonders ein Rüstung an, damit man nicht in die Verhältnisse schauen kann? Meine jedenfalls tun es, man sieht durchaus adrett aus, aber die Sprüche die da kommen, "Sag denen bloß Nichts!", "Die horchen doch nur die Leute aus!" ", "Denen laufen die Kinder weg (sic!), was da bloß los ist", etc.
Von psychologischer Projektion habe die Beiden natürlich noch nie etwas gehört, und wissen gar nicht, das sie mehr von sich selbst preisgeben, als sie wirklich wollen.

Dumm gelaufen. ;-))

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